18.11.2022

Palladio Partners buhlt um Stadtwerke-Finanzierungen

energate-Interview, 17.11.2022

"Viele Stadtwerke können die zukünftig nötigen Investitionen gar nicht selbst stemmen"

Frankfurt/Main (energate) - Die Investment-Gesellschaft Palladio Kommunal ist angetreten, um insbesondere Stadtwerken als Partner und Geldgeber für Zukunftsinvestitionen in wichtige Infrastruktur zur Seite zu stehen.  Chef und Mit-Gründer ist der langjährige swb-Vorstand Timo Poppe. Mit ihm sprach energate über die Auswirkungen der aktuellen Krise auf die Investitionstätigkeit kommunaler Versorger, die Pläne von Palladio Kommunal sowie die Skepsis in Kommunen gegenüber Investorenmodellen.

energate: Herr Poppe, die derzeitige Energiekrise trifft auch die kommunale Energiewirtschaft. Wie nehmen Sie die Situation wahr?

Poppe: Die Stimmung im kommunalen Lager ist aktuell gekennzeichnet von großer Verunsicherung, denn die Krise hat unmittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation vieler Stadtwerke. Das Handelsvolumen einiger Häuser wird den Umsatz so weit aufblähen, dass die dafür benötigten Sicherheiten das ein oder andere Stadtwerk an seine Grenzen bringen werden. Das ist in dieser Form sicherlich neu für die Branche. Die Folgen: Viele Häuser werden eher defensiv agieren und Investitionsprojekte schieben oder gänzlich hinterfragen.

energate: Wie ist das einzuordnen?

Poppe: Das ist natürlich eine gefährliche Situation, denn wer langfristig geplante Infrastrukturprogramme aussetzt, schiebt irgendwann eine Welle vor sich her, die immer größer wird. Zudem verlangt die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur. Meine Sorge ist, dass wir als Volkswirtschaft, die sich sehr ambitionierte Ziele für Energie- und Klimawende gesetzt hat, aufgrund der aktuellen Gegebenheiten nicht den Mut oder die Kraft aufbringen, in der erforderlichen Geschwindigkeit die dafür nötigen Investitionen umzusetzen.

energate: Aber Stadtwerke haben in der Vergangenheit allen Krisen zum Trotz zuverlässig und planmäßig investiert. Wo liegt aktuell das Problem?

Poppe: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir führen gerade Gespräche mit einem Stadtwerk, das für eine Projektfinanzierung - ein sehr stabiles Infrastrukturinvestment - Kontakt zur Hausbank aufgenommen hat. Die Bank hat nun einen Darlehenszinssatz angeboten, der in dieser Höhe vor einem Jahr noch unvorstellbar gewesen wäre. Außerdem wollte sie zum ersten Mal harte Sicherheiten haben, da sie im jetzigen Marktumfeld das Vertrauen in das „vertriebliche Geschäftsmodell Stadtwerke“ verloren hat. Die Bank kann schlicht nicht mehr einschätzen, wie hoch das Ausfallrisiko ist. Hier entsteht derzeit ein gravierendes Problem für Stadtwerke. Das zweite Problem ist, dass die derzeit gültige Eigenkapitalverzinsung im Netz nicht mehr in die aktuelle Welt passt und ein bisher wesentlicher Ergebnisbringer für Stadtwerke dadurch stark reduziert ist.

energate: An dieser Stelle bringen Sie sich als Investitionspartner ins Spiel. Was kann Palladio Kommunal anbieten?

Poppe: Palladio ist eine auf Infrastruktur spezialisierte Investment-Boutique, die für Kunden aus dem Bereich der deutschen Altersvorsorge Gelder langfristig in Infrastruktur investiert. Das Geld, das wir zur Verfügung haben, fungiert als klassisches Eigenkapital, mit dem wir uns an Assets mit unternehmerischem Risiko beteiligen. Konkret haben wir etwa in diesem Jahr mit den Stadtwerken aus Neumünster und Garbsen Joint Ventures zum Ausbau des Glasfasernetzes gegründet. Als Investor sind wir grundsätzlich flexibel, ob wir als Mehrheits- oder Minderheitspartner auftreten. Für uns ist entscheidend, dass wir ein verlässliches und langfristig stabiles Geschäftsmodell haben, an das beide Partner glauben. In kommunalen Partnerschaften gehen wir in der Regel eine Minderheitsbeteiligung ein. So behält der Partner das Lenkrad in der Hand, und wir nehmen auf dem Beifahrersitz Platz.

energate: Was heißt in dem Kontext ausreichend Eigenkapital? Was bringen Sie an Summen mit?

Poppe: In den genannten Beispielen Garbsen und Neumünster haben wir jeweils einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag beigesteuert. Es darf je nach Projektgröße natürlich gerne auch mehr sein. Palladio verwaltet aktuell rund 8 Mrd. Euro an Investitionskapital. An der Größenordnung lässt sich bemessen, dass wir nicht in kleinteiligen Investments, sondern in größeren Dimensionen denken.

energate: Welchen Einfluss auf das Geschäft wollen Sie im Gegenzug für Ihr Geld haben?

Poppe: Wir haben Erfahrung in Bau und Betrieb von Infrastruktur und bringen diese Expertise gerne mit ein. Tatsächlich schätzen viele Stadtwerke genau diese Kompetenzen, die wir mit an den Tisch bringen. Stadtwerke suchen teilweise aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten in vielen Geschäftsfeldern nach einem Partner, der auch unternehmerische Kompetenzen beisteuert und eine mitgestaltende Rolle übernimmt. Das wäre vor drei Jahren vielleicht noch anders gewesen.

energate: An welche Bereiche denken Sie, wenn es um Investitionen geht?

Poppe: Palladio hat bereits diverse Windparks im Portfolio sowie Beteiligungen an Strom- und Glasfasernetzen. Diese Bereiche schauen wir uns auch weiterhin an. Hinzu kommt mit zunehmender Geschwindigkeit das Thema Wärmeversorgung. Denn die Wärmewende wird, wenn man sie bis ans Ende denkt, Investitionen erfordern, die die Dimensionen des Glasfaserausbaus perspektivisch deutlich in den Schatten stellen werden. Für uns als Investor bietet das Chancen. Darüber hinaus wird auch das Thema Wasser/Abwasser für uns an Bedeutung gewinnen, weil in dem Bereich aktuell zu wenig investiert wird. Einen weiteren Trend nehmen wir beim Bau von dezentralen Rechenzentren – auch durch Stadtwerke – wahr. Wir glauben, dass wir hier in Deutschland künftig mehr sehen werden.

energate: Wie hat sich das Geschäft von Palladio Kommunal seit der Gründung vor zwei Jahren entwickelt und wie spielt die aktuelle Energiekrise in diese Entwicklung mit rein?

Poppe: Man darf es nicht zu laut sagen, aber die aktuelle Krise wirkt sich auf unser Geschäft sogar positiv aus. Denn wir erleben zwar eine große Verunsicherung in den Märkten, zugleich besteht aber eine zwingende, technische Notwendigkeit für Neuinvestitionen. Diese Konstellation birgt für uns Chancen, denn Unternehmen halten bei der Besetzung neuer Geschäftsfelder, aber auch bei der Neuaufstellung bestehender Geschäftsmodelle nach Partnern Ausschau. Viele Stadtwerke können die zukünftig nötigen Investitionen gar nicht selbst stemmen. Tatsächlich sind wir sehr zufrieden mit dem, was wir bislang umgesetzt beziehungsweise in der Pipeline haben. Abgesehen davon haben wir mit vielen Stadtwerken sehr gute Gespräche geführt. Nicht immer finden beide Seiten zueinander, aber ich glaube, es ist uns gelungen, Stadtwerken in Deutschland einen neuen Weg bei der Finanzierung aufzuzeigen, über den viele Unternehmen ganz sicher zumindest nachdenken.

energate: Aber der Trend, dass institutionelle Investoren Interesse an Energieinfrastruktur haben, ist doch ein alter Hut. Was ist so neu an Ihrem Ansatz?

Poppe: Sie haben recht, der Trend ist grundsätzlich da. Aber nennen sie mir ein Beispiel aus unserer Branche aus den letzten Jahren, in dem ein institutioneller Investor mit einem kommunalen Partner eine Investitionspartnerschaft eingegangen ist. Sie werden - abgesehen von uns - nicht eines finden. Meine Vorhersage ist, dass das kommunale Lager sich öffnen und die Beteiligung von Investoren sich als neuer Finanzierungskanal etablieren wird. Da gehen wir als Pioniere voran und möchten auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Und wir glauben, dass wir mit unserem Hintergrund und unseren Geldgebern auch sehr gut zur Kommunalwirtschaft passen.

energate: Aber Sie dürften doch mit Ihrem Modell im kommunalen Umfeld und in Stadträten nach wie vor auf viel Skepsis stoßen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Poppe: Natürlich gehen die Augenbrauen erst mal hoch, wenn man im Stadtrat ein Investorenmodell vorstellt. Das ist auch kein Wunder, wenn man sich vor Augen führt, was allein in den 90er Jahren mit PPP-Modellen für ein Schindluder getrieben worden ist, als Kommunen teilweise Verträge mit angelsächsischen Investoren abgeschlossen haben, die sie nie wirklich verstanden haben. Natürlich bestehen Sorgen, dass Kommunen ihre Infrastruktur an Investoren geben und dann nie wieder sehen. Der Skepsis begegnet man am besten, in dem man offen über mögliche Modelle spricht, mit denen sich das verhindern lässt. Eine Option kann etwa sein, der Kommune ein Vorkaufsrecht über das Anteilspaket, das bei uns liegt, einzuräumen. Insofern kann solch eine Partnerschaft auch eine Form der Zwischenfinanzierung für Kommunen darstellen.

Die Fragen stellte Rouben Bathke.

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